Das Geheimnis des Feuers Diese wenigen Zeilen können nicht die mühseligen und geduldigen Arbeiten der Töpfer und Keramiker vergegenwärtigen. Sie sollen nur eine kurze Einführung sein in das große Geheimnis des Feuers. Mag die Kunst der Keramik unsere Tage durch die jüngsten Entdeckungen auf dem Gebiet der Chemie und der Physik noch so vervollkommnet sein, sie bleibt doch aufs engste mit der Erde verbunden, von der sie ihren Ausgang nahm. Dieses für den Töpfer wichtigste Element, der tausendjährige zerstampfte und gereinigte Lehm, wird von den Händen des Drehers geformt. Das Stück Lehm rundet sich, wird zusammen gedrückt, die Moleküle drängen sich aneinander; das zerbrechliche Gefäß, das die Hand des Künstlers mit einer letzten Liebkosung streift, scheint zu zittern, bevor es erstarrt und die Drehscheibe verlässt, auf der es entstanden ist. Die lehmige Masse, aus ausgeklügelten Mischungen zusammen gesetzt, muss die feinsten Siebe passieren und wird dann in eine Gipsform geschüttet, die ihr mannigfaltige Gestalt verleiht, von dem bäurisch anmutenden Topf für einen bunten Feldblumenstrauß bis zu der edel geformten Vase, deren Glasur ihr einziger Schmuck ist.
Am frühen Morgen wird das Feuer angezündet. In den Feuerlöchern türmen sich die trockenen Holzscheite, und bei ihrer hellen Glut steigt die Innentemperatur langsam auf 800 Grad – erste Etappe des Brandes. Der letzte Rest von Feuchtigkeit verschwindet allmählich. Die Stücke erwachen aus ihrer Erstarrung und bereiten sich durch dieses Läuterungsprozess des Feuers auf die glühenden Liebkosungen der Flammen vor, die die Temperatur für Porzellan und Steinzeug auf 1300 Grad steigern. Während langer Stunden des Brandes schreien die unersättlichen Feuerlöcher mit höllischem Lärm nach immer mehr Holz. Das geringste Versehen, eine rasche Steigerung oder ein unvorhergesehenes Nachlassen kann den ganzen Schub in Gefahr bringen und die erhofften Meisterwerke in einen Haufen unförmiger Gefäße verwandeln, die die unerbittlichen Flammen durcheinander werfen und die statt einer schönen Glasur nur eine aufgeblasene Kruste haben. Bei dem heutigen Stand der Technik sind die Öfen, die Kontroll- und Messapparate soweit verbessert, dass derartige Unglücksfälle selten geworden sind. Durch die eingearbeiteten Luken in den Wänden des Ofens kann der Keramiker die Kontrollzeiger beobachten und das Steigen der Hitzegrade verfolgen. Wenn der letzte Zeiger fällt, werden die Feuerlöcher geschlossen. Die Flammen suchen einen Ausgang, vollführen einen teuflischen Tanz und schwingen sich hinauf in den Schornstein. Das Werk des Künstlers ist beendet. Während mehrerer Tage kühlt der Ofen ab: Stunden der Hoffnung und der Angst. Endlich wird die Tür geöffnet. Mit Fausthandschuhen zieht der Keramiker die noch glühenden Behälter heraus. Aus der Erstarrung der Feuerhöhle kommen die einzigartigen Vasen zum Vorschein, kupferrot in heißen Tönungen, blassgrün mit feinen schwarzen Strichen, goldkäferfarben in tausend Abstufungen, oder die einfachen Figuren, deren bäurische oder zarte Formen das Feuer bewahrt hat. Diese unveränderlichen Zeugen sind auch noch in ihrer Bescheidenheit majestätisch. Sie sind die Belohung für die langen Monate heißen Schaffens der Hände und des Geistes. Vom einfachen Töpfer bis zum genialen Keramiker sind die Handwerker und Künstler unserer Tage einig mit den alten orientalischen Meistern und den großen Bildnern des Mittelalters in der allen gemeinsamen Leidenschaft für das Feuer.
Jean Mougin
|
zurück zur Übersicht |